Ja – nun weiter! Diesmal bin ich wirklich über die erste Strophe hinausgekommen. Aber ich habe ihr an jenem Abend das Gedicht auf ihren Befehl gegeben und habe keine Abschrift. Heute, wo ich dies aus meinem Tagebuch herausschreibe, fällt mir nur diese erste Strophe ein.
Es ist eine merkwürdige Empfindung, die ich habe. Ich glaube nicht, dass ich in Wanda verliebt bin. Wenigstens habe ich bei unserer ersten Begegnung nichts von jenem blitzartigen Zünden von der Leidenschaft gefühlt. Aber ich empfinde, ihre außerordentliche, wahrhaft göttliche Schönheit legt allmählich magische Schlingen um mich. Es ist auch keine Neigung vom Gemüt. Es ist eine physische Unterwerfung, langsam, aber um so vollständiger. Ich leide täglich mehr. Und sie – sie lächelt nur dazu.
Heute sagte sie mir plötzlich, ohne jede Veranlassung: «Sie interessieren mich. Die meisten Männer sind so gewöhnlich, ohne Schwung, ohne Poesie. In Ihnen ist eine gewisse Tiefe und Begeisterung, vor allem ein Ernst, der mir wohltut. Ich könnte Sie liebgewinnen.»
Nach einem kurzen, aber heftigen Gewitterregen besuchen wir zusammen die Wiese und das Venusbild. Die Erde dampft ringsum. Nebel steigen wie Opferdünste gegen den Himmel. Ein zerstückter Regenbogen schwebt in der Luft. Wir können die Wiese nicht überschreiten, denn sie ist noch ganz nass. Wanda freute sich des lieblichen Anblicks. Da auf den Bänken in der Allee noch das Wasser steht, stützt sie sich, um etwas auszuruhen, auf meinen Arm. Eine süße Müdigkeit liegt in ihrem ganzen Wesen. Ihre Augen sind halb geschlossen. Ihr Atem streift meine Wange.
Ich ergreife ihre Hand. Und – wie es mir gelingt, weiß ich wahrhaftig nicht – ich frage sie:
«Könnten Sie mich lieben?»
«Warum nicht», antwortet sie. Sie lässt ihren ruhigen, sonnigen Blick auf mir ruhen, aber nicht lange.
Im nächsten Augenblicke knie ich vor ihr und presse mein flammendes Antlitz in den duftigen Mousselin ihrer Robe.
«Aber Severin – das ist ja unanständig!» ruft sie.
Ich aber ergreife ihren kleinen Fuß und presse meine Lippen darauf.
«Sie werden immer unanständiger!» ruft sie, und flieht in raschen Sätzen gegen das Haus. Ihr Pantoffel bleibt in meiner Hand zurück.
Soll das ein Omen sein?
Ich habe es nicht gewagt, mich den ganzen Tag ihr zu nähern. Gegen Abend, ich saß in meiner Laube, blickte plötzlich ihr pikantes rotes Köpfchen durch die grünen Gewinde ihres Balkons. «Warum kommen Sie denn nicht?» schrie sie ungeduldig herab.
Ich lief die Treppe empor. Oben verlor ich wieder den Mut und klopfte ganz leise an. Sie sagte nicht herein, sondern öffnete und trat auf die Schwelle.
«Wo ist mein Pantoffel?»
«Er ist – ich habe – ich will», stotterte ich.
«Holen Sie ihn. Dann nehmen wir den Tee zusammen und plaudern.»
Als ich zurückkehrte, war sie mit der Teemaschine beschäftigt. Ich legte den Pantoffel feierlich auf den Tisch und stand im Winkel, wie ein Kind, das seine Strafe erwartet.
Ich bemerkte, dass sie die Stirne etwas zusammengezogen hat. Etwas Strenges, Herrisches lag um ihren Mund. Das hat mich entzückt.
Auf einmal brach sie in Lachen aus.
«Also – Sie sind wirklich verliebt – in mich?»
«Ja, und ich leide dabei mehr, als Sie glauben.»
«Sie leiden?» sie lachte wieder.
Ich war empört, beschämt, vernichtet, aber alles ganz unnötig.
«Wozu?» fuhr sie fort, «ich bin Ihnen ja gut, von Herzen gut.» Sie gab mir die Hand und blickte mich überaus freundlich an.