Die Eule hatte geendet und wischte sich mit dem Flügel wieder die Augen aus, denn die Erzählung ihrer Leiden hatte ihr Tränen entlockt.

Der Kalif war bei der Erzählung der Prinzessin in tiefes Nachdenken versunken.

«Wenn mich nicht alles täuscht», sprach er, «so findet zwischen unserem Unglück ein geheimer Zusammenhang statt, aber wo finde ich den Schlüssel zu diesem Rätsel?».

Die Eule antwortete ihm: «Oh Herr! Auch mir ahnt dies, denn es ist mir einst in meiner frühesten Jugend von einer weisen Frau prophezeit worden, daβ ein Storch mir ein groβes Glück bringen werde, und ich wüβte vielleicht, wie wir uns retten könnten».

Der Kalif war sehr erstaunt und fragte, auf welchem Wege sie meine.

«Der Zauberer, der uns beide unglücklich gemacht hat», sagte sie, «kommt jeden Monat einmal in diese Ruinen. Nicht weit von diesem Gemach ist ein Saal. Dort pflegt er dann mit vielen Genossen zu schmausen. Schon oft habe ich sie dort belauscht. Sie erzählen dann einander ihre schändlichen Werke, vielleicht, daβ er dann das Zauberwort, das ihr vergessen habt, ausspricht».

«Oh, teuerste Prinzessin», rief der Kalif, «sag an, wann kommt er, und wo ist der Saal?».

Die Eule schwieg einen Augenblick und sprach dann:

«Nehmt es nicht ungütig, aber nur unter einer Bedingung kann ich Euern Wunsch erfüllen».

«Sprich aus! Sprich aus!», schrie Chasid. «Befiehl, es ist mir jede recht».

«Nämlich, ich möchte auch gern zugleich frei sein. Dies kann aber nur geschehen, wenn einer von euch mir seine Hand reicht».

Die Störche schienen über den Antrag etwas betroffen zu sein, und der Kalif winkte seinem Diener, ein wenig mit ihm hinauszugehen.

«Groβwesir», sprach vor der Türe der Kalif, «das ist kein gutter Handel, aber Ihr könntet sie schon nehmen».

«Oh weh», antwortete dieser, «meine Frau wird mir die Augen auskratzen, wenn ich nach Hause komme. Auch bin ich ein alter Mann, und Ihr seid noch jung und unverheiratet und könnt eher einer jungen, schönen Prinzessin die Hand reichen».

«Das ist es eben«, seufzte der Kalif, indem er traurig die Flügel hängen lieβ, «wer sagt dir denn, daβ sie jung und schön ist? Das heiβt eine Katze im Sack kaufen!».

Sie redeten einander gegenseitig noch lange zu, endlich aber, als der Kalif sah, daβ sein Wesir lieber Storch bleiben als die Eule heiraten wollte, entschloβ er sich, die Bedingung lieber selbst zu erfüllen. Die Eule war hocherfreut. Sie gestand ihnen, daβ sie zu keiner besseren Zeit hätten kommen können, weil wahrscheinlich in dieser Nacht die Zauberer sich versammeln würden.

Sie verlieβ mit den Störchen das Gemach, um sie in jenen Saal zu führen. Sie gingen lange in einem finsteren Gang hin, endlich strahlte ihnen aus einer halbverfallenen Mauer ein heller Schein entgegen.

Als sie dort angelangt waren, riet ihnen die Eule, sich ganz ruhig zu verhalten. Sie konnten von der Lücke, an welcher sie standen, einen groβen Saal übersehen. Er war ringsum mit Säulen geschmückt und prachtvoll verziert. Viele farbige Lampen ersetzten das Licht des Tages. In der Mitte des Saales stand ein runder Tisch, mit vielen und ausgesuchten Speisen besetzt. Rings um den Tisch zog sich ein Sofa, auf welchem acht Männer saβen. In einem dieser Männer erkannten die Störche jenen Krämer wieder, der ihnen das Zauberpulver verkauft hatte. Sein Nebensitzer forderte ihn auf, ihnen seine neuesten Taten zu erzählen. Er erzählte unter anderen auch die Geschichte des Kalifen und seines Wesirs.

«Was für ein Wort hast du ihnen denn aufgegeben?», fragte ihn ein anderer Zauberer.